Wenn das Schicksal ruft, folge ihm. Ein Gespräch mit Sebastian Jeuck in Taipeh/Taiwan
WELTWEIT - Ein Podcast von Katrin und Mareike reden mit Gästen rund um den Globus
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Davon, dass es sich auszahlt, das Schicksal am Schopfe zu packen, kann Sebastian Jeuck erzählen. Seit 2017 ist er Deutsch-Lektor an der privaten Chinese Culture University in Taipeh/Taiwan. Sein Weg in die Republik ist geprägt davon, beherzte Entscheidungen getroffen zu haben. 2013 reiste er gemeinsam mit einem Freund nach Taipeh und erkundete anschließend das Land. Eine Fernbeziehung ließ ihn anschließend nicht nur immer wieder nach Taiwan reisen, sondern auch in Düsseldorf, wo er bis dahin lebte, einen Chinesischkurs absolvieren. Nach dem Studium der Musik und Philosophie befand er sich in einer Berufsfindungsphase. Deshalb fiel es ihm auch nicht schwer, einen Job anzunehmen, welchen er nach einem spontanen und chaotischen Vorstellungsgespräch angeboten bekam: Da er bei der telefonischen Anfrage seiner heutigen Universität schon auf dem Sprung zum Flughafen war, hielt er kurzerhand auf dem Campus, absolvierte das Gespräch und bekam den Job. Dass er innerhalb der darauffolgenden 3 Monate seine Zelte in Deutschland abbrechen und nach Taipeh ziehen würde, hätte er sich nicht träumen lassen. Heute ist er mit einer Taiwanerin verheiratet, fährt mit dem Shuttle-Service der Universität zu seinen Studierenden auf den Campus und bereist nach wie vor leidenschaftlich gern seine neue Heimat. Aber nicht nur Sebastian ist seinem Schicksal gefolgt, sondern diese Redensart ist den Taiwanern und Taiwanerinnen immanent - wenn auch auf andere Art und Weise. Denn Sebastian erzählt in unserem Gespräch auch davon, wie es sich anfühlt in einem selbstbewussten und demokratischen Land zu leben, welches unter der stetigen Bedrohung der Einverleibung durch die Volksrepublik China steht und wie die Bevölkerung damit umgeht. Darüber hinaus jedoch beschreibt er auch, wie lebendig seine Wahlheimat chinesische Tradition und Geschichte lebt und verschiedene Minderheiten in die Gesellschaft integriert. Dass der Alltag in Taiwan durch andere Werte als beispielsweise in Deutschland geprägt ist, stellt keine große Herausforderung für Sebastian dar, denn ihm gelingt es, gut auf die Zwischentöne der täglichen Kommunikation zu horchen und mit Toleranz und Gleichmut auf diese zu reagieren. Wer Sebastians Geschichte hört, mag vielleicht noch lange nicht an Vorherbestimmung glauben, kann aber die positive Kraft entdecken, die darin liegt, Umstände anzunehmen und Schritte zu gehen, ohne zu wissen, wohin sie führen.-----Buchtipp: Thilo Diefenbach (Hg.): Kriegsrecht/ Neue Literatur aus Taiwan, iudicium Verlag, München 2017 Eine Sammlung verschiedenster kurzer Erzählungen bzw. Kurzgeschichten und Essays taiwanischer Autoren von 1949 bis 2016. Ein literarisch vermittelter Einblick in die konfliktreiche politische Situation Taiwans als "abtrünnige Provinz" Chinas. https://literaturkritik.de/diefenbach-kriegsrecht-taiwan-ist-nicht-china-sinologe-thilo-diefenbach-stellt-kriegsrecht-auf-450-seiten-neue-literatur-aus-taiwan-vor,23936.html