Sonnenblumenhaus

http://www.architektur-podcast.de/wp-content/uploads/2014/07/Sonnenblumenhaus.mp3 Audio-Podcast: 06:38 min  Kennen Sie… das Sonnenblumenhaus? Seit Anfang 2011 bleiben in der Nagelstraße immer wieder Menschen stehen und beugen sich nach hinten, um das Haus mit dem hohen Giebel gut und vor allem ganz in den Blick zu bekommen. Das schmale Jugendstilhaus mit dem frischen farbenfrohen Anstrich und der riesigen Sonnenblume ist neu erblüht. Wo einst das “Unausprechliche” feilgeboten wurde, befindet sich heute die Genussgesellschaft. Der Jugendstil hat in Trier nicht viele architektonische Spuren hinterlassen. Noch weniger ist er in der Moselstadt als eine Bauströmung bekannt, die Farbe als wesentliches Gestaltungselement nutzt. Die wenigen Fassaden der Wohnhäuser aus der Zeit des frühen 20. Jahrhunderts mit Jugendstildetails sind monochrom oder farblich schlicht gehalten und auch in dieser Form renoviert worden. Mut zur Farbe hingegen hat der Eigentümer der Nagelstraße 31 bewiesen. Das dreigeschossige Haus wurde 1905 von dem Architekten H. Meppert entworfen und vom Bauunternehmer Stefan Weber & Söhne errichtet. Von Beginn an ist im Erdgeschoss ein Ladenlokal geplant gewesen. In den beiden oberen Etagen befinden sich Wohnräume. Zwischen den späthistorischen Bauten muss das Haus vor mehr als 100 Jahren ähnlich viel Aufmerksamkeit erfahren haben, wie nach der Renovierung. Hochgestreckt überragt es mit seinem Zwerchhausgiebel die Nachbarhäuser. Das dominierende Element ist die darauf aufgebrachte Sonnenblume mit ihren fünf Blüten. Ganze drei Meter hoch und zweieinhalb Meter breit ist das florale Motiv des Giebels. Sonnengelb sind die Blütenblätter der zentralen, ganz geöffneten Blüte und der flankierenden, teilweise noch geschlossenen kleineren Blüten am Hauptstiel. Die Pflanzenblätter sind in einem natürlichen gedeckten Grün gehalten und auch die Kerne haben ihre natürliche Farbe, sind also sehr dunkel. Sieben Quadratmeter Sonnenblume und Kastanienblätter, die so groß sind wie Backbleche: Die Stuckateure haben an der Fassade 1905 alles in Handarbeit modelliert und einzigartige Objekte geschaffen. Üblich war es bei Putzfassaden des Jugendstils, fertige Teile anzukleben. Die heutige Farbfassung entspricht der Originalen, welche die letzten Jahrzehnte vor der grundlegenden Renovierung fast monochrom übermalt war. Gerade die Architekten der neuen Bewegung um 1900 hatten es sich zur Aufgabe gemacht, abseits des Historismus Formen zu entwickeln, die sowohl einen neuen Stil bilden als auch im Kunsthandwerk zum Design für alle Schichten werden sollten. Dass dies weder im “Arts and Craft Movement” im englischsprachigen Raum noch in der Kunstgewerbebewegung in Deutschland funktionierte, lag sicher nicht nur an den gehobenen Preisen und der damit verbundenen Exklusivität der Objekte. Die Bauherren mussten das Neue, Innovative und Moderne auch wollen. Genau diese Kombination ist der Grundgedanke der Renovierung des erst seit 2009 unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes in der Nagelstraße, die ein Jahr später startete. Der in das Haus verliebte Eigentümer stellt so viel Authentizität wieder her wie möglich, möchte darunter aber eine zeitgemäße Nutzung nicht leiden lassen. Wo bis Mitte 2008 noch BHs, Wäsche und Strümpfe von Miederwaren Fey auslagen, ist nun ein komplett neuer Eingangsbereich entstanden, der die zentral aufgebaute dreigliedrige Fassade nach unten hin symmetrisch weiterführt. Schon zur Bauzeit war das Erdgeschoss dreigeteilt. In der Mitte befand sich damals das Schaufenster, links der Eingang in die Privatwohnungen der Obergeschosse und rechts davon der Eingang in das Ladenlokal. Die erste Eigentümerin, die aus Frankreich stammende Baronesse Elisabeth du Sartz de Vigneulle,

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Mit den Architektur-Podcasts lässt sich Architektur und Stadtentwicklung in Trier unmittelbar vor Ort entdecken. Hören Sie den mehrminütige Beitrag, während ihr Blick über die Architektur schweifen und auf Details verweilen kann. Lernen Sie Trier neu kennen! Die Architekturessays und Perlen des Städtebaus präsentiert die Kunthistorikerin und Redakteurin Bettina Leuchtenberg. Sie geht kleinsten Hinweisen nach, die sie in Gesprächen oder der Literatur entdeckt und findet bei der näheren Betrachtung immer wieder Details und Unverhersehbares, was die steinernen Zeugnisse der Vergangenheit in aktuelle Bezüge setzten und den Blick schärfen.