Geldtempel

http://www.architektur-podcast.de/wp-content/uploads/2014/07/Geldtempel.mp3 Audio-Podcast: 6:23 min Kennen Sie… den alten Geldtempel? Sieben monumentale Säulen bilden die Fassade der ehemaligen Reichsbank in der Christophstraße. Einst als pompöse Nebenstelle der Berliner Zentrale errichtet, machte sie die Bedeutung des Geldinstituts auch in der westlichen Provinz deutlich. Während die Reichsbanken bis etwa zur Jahrhundertwende oft gleichförmig gestaltet waren, wurden die Gebäude in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts immer individueller. Seit ihrer Gründung im Jahre 1876 hatte die Reichsbank als öffentliche Institution die Aufgabe, den Preis und das Volumen des Geldes zu bestimmen und Banknoten auszugeben. Die Vorgängerin der Deutschen Bundesbank etablierte ein einheitliches Währungssystem und ersetzte mit “Mark” und “Pfennig” die bis dahin gültigen gewachsenen Landeswährungen wie beispielsweise den norddeutschen Taler oder süddeutschen Gulden. Im Jahr der Gründung verfügte die Reichsbank neben der Reichshauptbank in Berlin über 16 Hauptstellen, 43 Stellen, drei Kommanditen, 112 Nebenstellen und 27 Warendepots. Die Nebenstelle Trier wurde in den Jahren 1901 bis 1903 errichtet. Zuständig für die Neubauten war das Reichsbankbaubüro mit Sitz in Berlin. Dieses leitete ab dem Jahr 1883 der 1834 in Trier geborene Geheime Baurat Dr.-Ing. Julius Emmerich. Der Trierer war ab 1904 auch für die Hochbauverwaltung zuständig und unter seiner Ägide entstanden so wichtige Staatsbauten wie das Pergamon-Museum, die Akademie der Bildenden Künste oder das Abgeordnetenhaus in Berlin. Zusammen mit dem entwerfenden Architekten Maximilian Hasak realisierte er neben zahlreichen anderen Bankgebäuden die Trierer Nebenstelle in der Christophstraße. Auch nach seiner Pensionierung widmete er sich noch zehn Jahre lang der Reichsbanktätigkeit, wie Margit Heinker in ihrer 1998 erschienenen Dissertation zur Architektur der deutschen Reichsbank ausführt. Die ehemalige Reichsbank in Trier liegt zentral am die Altstadt umrundenden Grüngürtel, der die mittelalterliche Stadtmauer nachzeichnet. Die Stadtfläche von Trier hat sich zur Jahrhundertwende schon deutlich erweitert und das Bankgebäude wird in die vorhandene Architektur der Christophstraße gesetzt. Neu ist die 1902 angelegte Kochstraße, welche den Alleenring mit der Sichelstraße verbindet und als Namensgeber Richard Koch hat. Dieser war von 1890 bis 1908 Präsident des Reichsbankdirektoriums und damit höchster Amtsträger der damaligen deutschen Geldwirtschaft. Die optisch wie ein antikisierender Tempel in Sandstein ausgeführte wuchtige Reichsbankfiliale steht genau auf der Ecke von der Christoph- zur Kochstraße. Seine sieben knapp 12 Meter hohen kannelierten Säulen mit aufwändig gestalteten Kompositkapitellen, die in sich jeweils den Reichadler zeigen, gliedern die Hauptfassade an der Christophstraße 14. Sie ist unter einem breiten Gesims zweigeschossig ausgebildet. Im Erdgeschoss befinden sich hohe Rundbogenfenster, hinter denen sich im östlichen Bereich die Kassenhalle befand, im oberen Geschoss sind die Fenster rechteckig. Während zur Bauzeit das Hauptportal zur Reichbank zwischen den beiden westlichen Säulen lag, wurde dieser Eingang später zu einem Fenster verändert. Die schmale Seite an der Kochstraße hat nur an den beiden Ecken Säulen und ist ansonsten lediglich in der Mitte durch Fenster und einen Balkon geschmückt. Die als Tempel gestaltete Nebenstelle in Trier hat weder architektonische Vorgänger noch entsprechende Nachfolger innerhalb der zahlreichen Neubauten der Reichsbanken. Waren die Gebäude bis zur Jahrhundertwende eher historistisch wie beispielsweise in Bocholt oder Gütersloh, wurden  die Fassaden ab 1900 immer individueller, aber auch immer unspektakulärer.

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Mit den Architektur-Podcasts lässt sich Architektur und Stadtentwicklung in Trier unmittelbar vor Ort entdecken. Hören Sie den mehrminütige Beitrag, während ihr Blick über die Architektur schweifen und auf Details verweilen kann. Lernen Sie Trier neu kennen! Die Architekturessays und Perlen des Städtebaus präsentiert die Kunthistorikerin und Redakteurin Bettina Leuchtenberg. Sie geht kleinsten Hinweisen nach, die sie in Gesprächen oder der Literatur entdeckt und findet bei der näheren Betrachtung immer wieder Details und Unverhersehbares, was die steinernen Zeugnisse der Vergangenheit in aktuelle Bezüge setzten und den Blick schärfen.