Amalie Dietrich (1821-1891)
Frauenleben. Inspirierende Frauen und ihre Zeit. - Ein Podcast von Petra Hucke & Susanne Popp
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Sie stammte aus einer armen sächsischen Familie und war nach Maria Sibylla Merian die bedeutendste Naturforscherin und Forschungsreisende Deutschlands. Trotz mangelhafter Schuldbildung machte sie sich als Botanikerin einen so guten Namen, dass sie sich auf Augenhöhe mit Universitätsprofessoren unterhalten konnte. Ihr abenteuerlicher Lebensweg führte sie bis ins australische Outback. *** Sie wird 1821 in eine arme Familie in Sachsen hineingeboren. Ihr Vater war Beutler (Hersteller von Lederwaren) im sächsischen Siebenlehn. Die vierköpfige Familie, Amalie hat noch einen Bruder, lebt in der sogenannten Unterstadt, dem Arme-Leute-Viertel. Die »Nellen Male«, wie sie genannt wird, (ihr Mädchenname ist Nelle), ist ein ernstes und kluges Mädchen, und die Eltern schicken sie sogar auf die Schule, wofür sie von ihrem Haushaltsgeld etwas abzweigen müssen. Sie wird älter, bleibt aber bei den Eltern. Den Heiratsantrag eines reichen Mehlhändlers lehnt sie ab. Amalie Dietrich Mit vierundzwanzig Jahren lernt sie bei einer Wanderung den Naturforscher Wilhelm Dietrich kennen, der in der Oberstadt von Siebenlehn wohnt. Über ihn kursieren die wildesten Spekulationen, denn niemand weiß, was ein Naturforscher eigentlich macht. Wilhelm Dietrich hätte eigentlich Arzt werden wollen, musste jedoch das Studium abbrechen, weil das Geld nicht reichte, er machte eine Apothekerlehre, gab die Anstellung, die er als Apotheker hatte, jedoch auch wieder auf, um Privatgelehrter zu werden. Sein Interesse und seine Leidenschaft gehören der Botanik. Das Kategorisierungssystem von Carl von Linné, die botanische und zoologische Nomenklatur, ist einige Jahrzehnte zuvor erfunden worden und hat sich etabliert. Der Besitz und das Erstellen von Herbarien, um die Formfülle der Natur zu ordnen, ist sozusagen en vogue. Jeder Botaniker setzt seinen Ehrgeiz daran, die Pflanzenarten in seiner Umgebung oder in bestimmten Regionen zu bestimmen und zu beschreiben. Und das tut also Wilhelm Dietrich, der ungefähr zehn Jahre älter war als Amalie. Die junge Frau ist völlig fasziniert. Ihr erschließt sich mit einem Schlag eine völlig neue Welt. Sie beginnt mit Dietrich die Wälder und Felder zu durchstreifen und als er bei ihren Eltern um ihre Hand anhält, sagt sie sofort Ja. Wilhelm Dietrich hat natürlich sofort das Talent seiner jungen Frau erkannt. Sie ist fleißig, gelehrig, hat keine großen Ansprüche an ihren persönlichen Komfort, leidet nicht unter »Putzsucht«, denn das gilt quasi als Todsünde – gemeint ist damit, der Wunsch hübsch auszusehen und schöne Kleider zu tragen – und sie ist bereit, sich völlig unterzuordnen. Sie geht bei ihrem Mann in die Lehre. Dreihundert Taler haben die Eltern für die Aussteuer der Tochter angespart, das ist gar nicht einmal so wenig für eine so arme Familie, und die werden nicht in Leinenwäsche oder ein neues Kanapee investiert, sondern in Pflanzenpressen, Glashäfen, Spiritus und Papier. Das Paar zieht in ein altes Forsthaus, es ist ungemütlich, aber luftig und groß, und jeder Raum wird Teil der Werkstatt. Es gibt keine Wohnstube, es gibt nur Arbeitsräume. Tausende getrocknete Pflanzen liegen in den Regalen, Blüten, Stängel, Wurzeln, dazu mumifizierte Insekten und Mineralien, alles fein säuberlich geordnet und aufgereiht. Im Sommer wird tagsüber gesammelt und abends getrocknet und gepresst und im Winter ordentlich auf Papier aufgezogen beschriftet. Amalies Eltern ziehen bei dem Paar ein und die Mutter macht den Haushalt. Amalie kann sich also voll und ganz darauf konzentrieren, die Assistentin ihres Mannes zu sein. Er war womöglich ein guter Lehrer – ob er ein guter Mensch war, sei dahingestellt. Auf jeden Fall nutzt er ihren Aufopferungswillen aus.