„Bild“-Chef Reichelt: „Ich verachte die Führung der AfD“

Entscheider treffen Haider - der Interview-Podcast - Ein Podcast von Hamburger Abendblatt - Dienstags

„Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt spricht im Podcast „Entscheider treffen Haider“ mit Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider nicht nur über die frühe Liebe zu seiner Zeitung („Ich habe mit sieben Jahren angefangen, „Bild“ zu lesen“), sondern bezieht auch Stellung gegen die AfD: „Ich kann durchaus sagen, dass ich die politische Führung der AfD verachte. Wenn Björn Höcke auftritt, schafft er es, in Habitus und Mimik an das Dritte Reich zu erinnern. Das ist ein Spiel, das mich abstößt.“ „Bild“ sei die einzige Marke, „in der man keine AfD-Interviews finden wird“, so Reichelt, der es „absurd findet, wieviel Air-time die Partei in deutschen Talkshows bekommt“. Dabei habe die „AfD alles verlassen, was es in Deutschland an gesellschaftlichem Konsens gibt“. Stimmen, die die „Bild“-Zeitung als „verlängerten Arm der AfD bezeichnen“, nennt Reichelt eine Unverschämtheit: „Man kann das nur behaupten, wenn man bereit ist, Fakten zu ignorieren.“ Der „Bild“-Chef spricht im Podcast auch über die schwindende Macht von traditionellen Medien und die Reaktion von Politikern darauf: „Die Politiker realisieren immer mehr, dass soziale Medien ihnen die Möglichkeit geben, an traditionellen Medien vorbei zu kommunizieren. Und klammheimlich freuen sie sich auch darüber. Sie sehen nicht, dass wir Journalisten am Ende auch das Fundament bilden, auf dem Demokratie funktioniert. Eine Übernahme der Medienlandschaft durch soziale Medien würde nach meiner Überzeugung die Demokratie nicht überstehen.“ Klare Worte findet Reichelt zu Konkurrenten, die Bezahlangebote von „Bild“ oder anderen Medien übernehmen und auf ihren Plattformen kostenlos verbreiten: „Das ist nichts anderes als Organisierte Kriminalität beim Thema geistiges Eigentum.“ Journalismus müsse etwas wert sein: „Wir wären sonst die einzige Branche, die für ihre Arbeit kein Geld verlangt.“ Ausführlich spricht der „Bild“-Chef auch über Emotionen, die für Massenmedien genauso wie für die Politik wichtig seien: „Es ist gut, wenn verantwortungsvolle Parteien Vernunft und Fakten in den Mittelpunkt stellen. Aber zu sagen, wir bedienen Instinkte und Gefühle gar nicht mehr, führt in den Untergang. Viele Wähler haben die Schnauze davon voll, dass die Themen, die sie bewegen, von den Volksparteien nicht angenommen werden.“ Zu dem Vorwurf, dass „Bild“ unter ihm als Chefredakteur härter und radikaler geworden sei, sagt Reichelt: „Ich bin radikal freiheitlich und radikal an Fakten orientiert. Und in den Konsequenzen, die sich daraus ergeben, bin ich vermutlich sehr radikal.“ Er habe im vergangenen Jahr viel Zeit mit der „Bild“-Zeitung auf Papier verbracht, „weil ich das Gefühl hatte, dass wir die Zeitung ein stückweit neu ausrichten müssen, tatsächlich auch politisch“. „Bild“ sei nicht mehr „the peoples paper“ gewesen. Zur neuen Strategie gehört auch, dass „Bild“ auf der Titelseite möglichst viele Texte rund um den Themenbereich „Rente“ veröffentlicht. Und auch zu seinen Anfängen als „Bild“-Chef äußert sich Reichelt: „Das hieß anfangs ein bisschen anders, hatte ja den Fantasietitel Vorsitzender der Chefredaktion, weil es damals noch eine Zweiteilung gab. Um ehrlich zu sein war mir klar, dass die Marke „Bild“ in der Führung keine Ambivalenz verträgt.“