„Sie haben mich durch den Ort geführt und diese hässlichen Lieder gesungen" - #20ESD - Lesung Siegfried Bustin

Ein Stück Deutschland - Der Podcast - Ein Podcast von Corinna Below (Initiatorin & Journalistin) & Carsten Janz (Journalist)

Siegfried Bustin kommt als Nachzögling im Jahre 1916 in Tutzing bei München zur Welt. Seine Familie sei die einzige jüdische Familie im Ort gewesen. „Als die Nazis an die Macht kamen, wurden wir trotzdem noch gut behandelt“, erzählt er. Er habe sogar seinen Schulabschluss machen dürfen. Bescheiden, als ob es ein Geschenk war, dass ihm eigentlich nicht zustand. Er erzählt von einer Radreise, die er mit zwei Kameraden nach Berchtesgaden gemacht hat. In einer Herberge pöbelte eine Gruppe Hitlerjugend aus Nürnberg „und die haben mich gefragt, ob ich Jude bin und ich habe gesagt „Ja“.“ Sie hätten ihm nichts Übles getan, erinnert sich der alte Mann heute. Nein, es ist noch gut gegangen. „Sie haben mich durch den Ort geführt und diese hässlichen Lieder gesungen: „Wenn das Judenblut vom Messer spritzt ...“ Er meint er habe Glück gehabt. Sie hätten ihn ja auch schlagen können. Seinen Freund haben sie sich statt dessen vorgenommen, sozusagen als Judenfreund.