„Seine Freunde haben ihm gesagt, er soll seine Familie aus Deutschland heraus holen.“ - #30ESD - Ruth Goldschmidt I

Ruth war erst vier Jahre alt, als sie zusammen mit ihrer Schwester und ihrer Mutter ihre Heimatstadt Hamburg fluchtartig verlassen muss, getarnt als Ferienreise. Die Kinder sollen den wahren Grund hinter der Flucht nicht erfahren. Die Eltern wollen sie nicht belasten. Der Vater ist Weinhändler. Er verkauft Moselweine in Nord- und Südamerika. Als die Nazis an die Macht kommen, warnen ihn seine Freunde im Ausland, er solle seine Familie so schnell wie möglich außer Landes bringen. Die kleine Ruth wird all das erst Jahrzehnte später wirklich verstehen. Sechs Jahre lebt sie mit Mutter und Schwester im holländischen Scheveningen. Der Vater ist immer wieder zu Besuch. 1936 folgt die Oma aus Hamburg. Tante Elsa, eine Pianistin und viele Verwandte bleiben in der Hansestadt. 1938 beschließen Ruths Eltern, Holland zu verlassen und nach Buenos Aires auszuwandern. Eine Auswanderung war für die Familie kein Problem, denn dadurch, dass der Vater einige Jahr in Argentinien gelebt hatte, hatte er und auch seine Frau einen argentinischen Pass. Wird die Oma mitgehen? Und was passiert mit Tante Elsa und den anderen Verwandten der Familie. Dazu mehr in der nächsten Folge. In dieser Folge erzählt Ruth Goldschmidt ausführlich von den Hintergründen ihrer Fluchtgeschichte. Die Lücken ergänzt Christina Igla von der Hamburger Stiolpersteininitiative. Sie hat im Hamburger Staatsarchiv zur Familie von Ruth Akten angefordert und einige spannende Dokumente gefunden: Gemeindemitgliedskarten, Schreiben für die Wiedergutmachungsbehörde und die Geburtsurkunde für Ruths Mutter. Sie konnte ir nahezu all meine Fragen beantworten.

Om Podcasten

"Wir können doch nichts dafür. Deutsch ist und bleibt unsere Muttersprache." In San Miguel, einem Ort nördlich von Buenos Aires, steht das Hogar Adolfo Hirsch, das Altenheim der Deutsch sprechenden Juden Argentiniens. Ungefähr 170 alte Menschen leben hier, inmitten eines großzügigen blühenden Parkgeländes. Alle sind Einwanderer der ersten Generation. Sie sind in Deutschland, Österreich oder Ungarn geboren und ihre Lebensgeschichten sind bis heute eng mit Deutschland verknüpft, mit dem Deutschland der Nazizeit. Wir haben 49 von ihnen besucht, um mehr über ihr Leben zu erfahren. Einige haben wir in ihren Zimmern aufgesucht, andere im Park getroffen oder in der Stadt. Hier erzählen 49 Männer und Frauen von ihrer Emigrationsgeschichte, ihrem Verhältnis zu Argentinien und ob sie je darüber nachgedacht haben, wieder in Deutschland zu leben. Die Initiatorin des Projektes, Corinna Below (Journalistin) spricht in diesem Podcast mit ihrem Freund und Kollegen Carsten Janz über die Schicksale der Vertriebenen. Dazu sind Gäste geladen, Experten aber auch Verwandte oder Zeitzeugen. Und auch aktuelle politische Entwicklungen werden hier besprochen. Gegen das Vergessen.