"Ich habe viel zu viele Erinnerungen" - #32ESD - Lesung Edith Nassau

Als wir, der Fotograf Tim Hoppe und ich, Edith Nassau 2004 als Voluntaria im Altenheim für die Deutsch sprechenden Jüdinnen und Juden Argentiniens kennenlernen, da ist immer noch deutlich zu hören, wo sie herkommt. Aus Westfalen, Kohlenpott. Ihren Dialekt hat sie sich bewahrt. 
Am 9. Dezember 1921 als Edith Gumbert geboren, wächst sie in Brambauer und Lünen auf und sagt: "Ich habe viel zu viele Erinnerungen." Mit neun Jahren erlebt sie die ersten judenfeindlichen Pogrome. Sie und die anderen jüdischen Kinder werden aus der Schule rausgeschmissen und die jüdischen Geschäfte werden geschlossen. Auch das Geschäft des Vaters. Als Edith von der Schule nach Hause kommt, stehen die Nazis vor der Tür und wollen das kleine Mädchen nicht hereinlassen. Familie Gumbert lebt von da an in ständiger Angst. Sie erzählt von dem Hin und Her mit der Ausreise. Zunächst will die Familie nach Palästina, dann nach Argentinien. Erst 1939 können sie sich schlussendlichen entschließen und haben die nötigen Papiere beisammen. In Hamburg gehen sie aufs Schiff. Alle sind überglücklich und voller Angst zugleich, denn man rechnet jederzeit mit dem Ausbruch des Krieges. 150 Jüdinnen und Juden sind an Bord. Als sie in Pernambuco, Brasilien sind, geht der Krieg los. Die Schifffahrtsgesellschaft will die Juden zurück nach Deutschland schicken, doch die deutschen Juden Brasiliens kommen ihnen zu Hilfe …

Om Podcasten

"Wir können doch nichts dafür. Deutsch ist und bleibt unsere Muttersprache." In San Miguel, einem Ort nördlich von Buenos Aires, steht das Hogar Adolfo Hirsch, das Altenheim der Deutsch sprechenden Juden Argentiniens. Ungefähr 170 alte Menschen leben hier, inmitten eines großzügigen blühenden Parkgeländes. Alle sind Einwanderer der ersten Generation. Sie sind in Deutschland, Österreich oder Ungarn geboren und ihre Lebensgeschichten sind bis heute eng mit Deutschland verknüpft, mit dem Deutschland der Nazizeit. Wir haben 49 von ihnen besucht, um mehr über ihr Leben zu erfahren. Einige haben wir in ihren Zimmern aufgesucht, andere im Park getroffen oder in der Stadt. Hier erzählen 49 Männer und Frauen von ihrer Emigrationsgeschichte, ihrem Verhältnis zu Argentinien und ob sie je darüber nachgedacht haben, wieder in Deutschland zu leben. Die Initiatorin des Projektes, Corinna Below (Journalistin) spricht in diesem Podcast mit ihrem Freund und Kollegen Carsten Janz über die Schicksale der Vertriebenen. Dazu sind Gäste geladen, Experten aber auch Verwandte oder Zeitzeugen. Und auch aktuelle politische Entwicklungen werden hier besprochen. Gegen das Vergessen.