"Die Frauen waren alle fanatisch, waren verliebt in den Herrn Hitler" - #26ESD - Lore Mayer I

Ihr Leben beginnt im November 1910. Lore Mayer wächst in wohlhabenden Verhältnissen mit drei sehr viel älteren Schwestern auf, besucht die höhere Töchterschule und wird auf das Leben als Sekretärin und Ehefrau vorbereitet. Doch dann kommt die Inflation, der Vater verliert sein gesamtes Vermögen. Sechs Jahre später stirbt er. Nachdem die Schwestern bereits aus dem Haus und verheiratet sind, müssen Mutter und Tochter in eine kleine Wohnung ziehen und Lore wird von ihrem langjährigen Freund sitzen gelassen. Der Antisemitismus nimmt immer mehr zu und die Mutter drängt Lore dazu, einen Verehrer zu heiraten, den sie allerdings gar nicht liebt. Die Mutter will, dass Lore mit diesem Mann nach Argentinien auswandert. Lore lässt sich bequatschen. Sie sagt im Interview: "Mir war alles egal". Bevor sie Deutschland für immer verlässt, zieht das junge Paar übergangsweise nach Darmstadt und Lore arbeitet im Kaufhaus der Gebrüder Rothschild im Büro und erlebt, wie die SA die Menschen davon abhielt, hier einzukaufen. Dieser Folge liegen drei Interviews zugrunde: 1. Das Interview, das die Autorin 2004 mit Lore Mayer im Altenheim für Deutsch sprechende Jüd*innen in dSan Miguel/ Buenos Aires/ Argentinien geführt hat, 2. ein Interview, das ihr Nenn-Enkel Sven Sprowls mit ihr 1990 in Córdoba/ Argentinien geführt hat, und 3. ein Interview, das die Autorin Corinna Below im Oktober 2021 mit Sven Sprowls in Mannheim und Darmstadt geführt hat. Zusammen mit dem Fotografen Tim Hoppe haben sie sich auf die Spuren von Lore Mayer begeben.

Om Podcasten

"Wir können doch nichts dafür. Deutsch ist und bleibt unsere Muttersprache." In San Miguel, einem Ort nördlich von Buenos Aires, steht das Hogar Adolfo Hirsch, das Altenheim der Deutsch sprechenden Juden Argentiniens. Ungefähr 170 alte Menschen leben hier, inmitten eines großzügigen blühenden Parkgeländes. Alle sind Einwanderer der ersten Generation. Sie sind in Deutschland, Österreich oder Ungarn geboren und ihre Lebensgeschichten sind bis heute eng mit Deutschland verknüpft, mit dem Deutschland der Nazizeit. Wir haben 49 von ihnen besucht, um mehr über ihr Leben zu erfahren. Einige haben wir in ihren Zimmern aufgesucht, andere im Park getroffen oder in der Stadt. Hier erzählen 49 Männer und Frauen von ihrer Emigrationsgeschichte, ihrem Verhältnis zu Argentinien und ob sie je darüber nachgedacht haben, wieder in Deutschland zu leben. Die Initiatorin des Projektes, Corinna Below (Journalistin) spricht in diesem Podcast mit ihrem Freund und Kollegen Carsten Janz über die Schicksale der Vertriebenen. Dazu sind Gäste geladen, Experten aber auch Verwandte oder Zeitzeugen. Und auch aktuelle politische Entwicklungen werden hier besprochen. Gegen das Vergessen.