Episode 055: Die Enttäuschten (Le beau Serge), 1958

Ein Filmarchiv - Ein Podcast von Brockmann & Ecke

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In seinem Langfilm-Debut setzt Claude Chabrol die Forderungen der Nouvelle Vague gleich einmal in die Tat um: er erzählt mit einer Mise en Scène direkt aus dem Baukasten der Theorien seines intellektuellen Ziehvaters André Bazin von dem Sinnverlust einer Existenz in der Provinz. Wir kehren mit dem Studenten François in dessen Heimatdorf zurück, in dem alles, was mal an seinem Platz war, nicht mehr zählt und der Untergang der dortigen Gemeinschaft stetig voranschreitet. Es gibt kaum Arbeit, Paris ist genau so weit weg wie fließend Wasser oder Strom, die Gebäude verfallen genauso wie die verstetigten Normen, die ein Zusammenleben ermöglichen. Da ist die minderjährige Dorfschönheit nur noch über Sex in der Lage, für sich Bestätigung zu finden, der Pfarrer alleine mit sechs älteren Damen in der zugigen Kirche. Und auch die Arbeit ist rar, sodass selbst Serge, der Schönste und Klügste aus François‘ Klasse, nur noch LKW-Fahrer ist, ein sehr passender Job für jemanden mit schwerer Alkoholabhängigkeit. Was wie ein Abgesang auf die arme Provinz aus dem modernen Paris wirken könnte, ist ebenso eine Konfrontation für den Zuschauer und Filmemacher, dem Intellektuellen aus dem Zentrum des Landes, der sich als moralische Instanz betrachtet. Stilistisch ist der Film gerade in seiner Zeit atemberaubend und revolutionär: die Kamera wird zum Akteur, die auf das Schauspiel zu reagieren scheint, deren Schwarz-Weiß-Bild im alten 4:3-Format niemals auf Perfektion der Ausleuchtung und geschmackvolle Cadrage setzt, dafür aber klug das eigene Wissen über die Kinogeschichte einwebt - so wird der Film unmittelbar, direkt und dennoch emotional mitreißend.