"Kontrollverlust – das ist das Schlimmste, das Putin passieren kann"

Das Politikteil - Ein Podcast von ZEIT ONLINE - Freitags

Nach kaum 36 Stunden war der Spuk wieder vorbei, aber die Folgen der Meuterei von Jewgeni Prigoschin gegen Russlands Präsident Putin werden noch lange zu spüren sein. Dass Truppen einer Privatarmee ungehindert auf Moskau marschieren konnten, war ein gewaltiger Schock. Und immer noch ist unklar, was genau das Ziel dieser Rebellion war, ob die Söldner Unterstützer in der regulären russischen Armee hatten und wie Putin jetzt zurückschlagen wird. In "Das Politikteil", dem politischen Podcast von ZEIT und ZEIT ONLINE, sprechen wir diese Woche über den chaotischen 24. Juni 2023 und die Folgen für das System Putin, für den Krieg in der Ukraine – und für den Westen. Zu Gast bei Tina Hildebrandt und Heinrich Wefing ist Sabine Fischer, Senior Fellow bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, eine der besten Russland-Kennerinnen Deutschlands und Autorin des Buches "Die chauvinistische Bedrohung. Russlands Kriege und Europas Antworten", das im September erscheint. Sabine Fischer sagt: "Putin ist weiter unangefochten die Nummer Eins in Russland", aber "eine wichtige Säule seiner Herrschaft ist Repression und wenn die Angst vor Repression nicht mehr funktioniert, bricht ein Teil der Macht weg". Sabine Fischer erklärt, wer der Söldnerführer Prigoschin ist, wie er so reich und mächtig werden konnte und warum er sich schließlich gegen Moskau gewandt hat. Sie sagt: "Prigoschin hat in der russischen Bevölkerung wenig Rückhalt. Aber seine generelle Kritik an der Ineffizienz staatlicher Institutionen verfängt bei der Bevölkerung und kann dem Regime gefährlich werden." Und Putin selbst hat in einer Rede nach dem Ende der Meuterei etwas Entscheidendes gesagt, meint Sabine Fischer: "Indem Putin jetzt von einer Verhinderung des Bürgerkriegs spricht, räumt er die Möglichkeit eines Bürgerkriegs selbst ein. Das ist enorm." Sabine Fischer rechnet damit, dass Putin auf den Moment der Destabilisierung mit einer nochmaligen Verschärfung der Repression reagieren wird. Unmittelbare Folgen für den Krieg in der Ukraine sieht sie einstweilen nicht: "Um wirklich Auswirkungen auf die militärische Situation in der Ukraine zu haben, war diese Unruhe zu schnell vorbei." Doch sie warnt vor einer möglichen weiteren Eskalation durch Russland: "Die Verstärkung der Nato-Ostflanke ist ein wichtiger Schritt als Reaktion des Westens. Aber gleichzeitig müssen alle internationalen Akteure darauf hinwirken, das nukleare Risiko so gering wie möglich zu halten." Im Podcast "Das Politikteil" sprechen wir jede Woche über das, was die Politik beschäftigt, erklären die Hintergründe, diskutieren die Zusammenhänge. Immer freitags mit zwei Moderatoren, einem Gast – und einem Geräusch. Im Wechsel sind als Gastgeber Tina Hildebrandt und Heinrich Wefing oder Ileana Grabitz und Peter Dausend zu hören. Hosts: Tina Hildebrandt und Heinrich Wefing Gast: Sabine Fischer, SWP Recherche und Töne: Carlotta Wald Aufnahme: Jona Rösch, Pool Artists Aufgezeichnet am 29. Juni 2023