Nackttanz vor Gericht

Auf den Tag genau - Ein Podcast von Jan Fusek, Fabian Goppelsröder und Robert Sollich

Nacktheit auf der Bühne ist im 21. Jahrhundert zumindest hierzulande längst ein Gemeinplatz geworden und kaum mehr dazu angetan, Skandale zu verursachen. Vor einhundert Jahren sah die künstlerische und kleinkünstlerische Welt diesbezüglich selbstredend ganz anders aus, und ein paar Quadratzentimeter nackter Haut bei Schummerlicht hinter einem semitransparenten Schleier vermochten mitunter heftige Wellen der Entrüstung auszulösen. So rasant die aufstrebende Metropole Berlin seinerzeit ihre Freizügigkeit entdeckte, so vehement wurde diese Entwicklung von selbsternannten Sittenpolizisten bekämpft, die sich die Nächte in aufopferungsvollem Dienst für Jugend und Tugend um die Ohren schlugen und alle von ihnen ausgemachten Unsittlichkeiten vor den Kadi einer noch weithin kaiserzeitlich geprägten Rechtsprechung zerrten. Einer von gleich mehreren Prozessen im Winter 1922 galt dem Ensemble der sogenannten Nackttänzerin Celly de Rheidt. Die Berliner Presse begleitete die Verhandlung mit durchaus lustvollem Interesse, auch wenn sie in den spannendsten Momenten leider ausgesperrt blieb. Das 8-Uhr-Abendblatt berichtete am 10. Januar trotzdem. Für uns tut dies Frank Riede.