Karl Kautsky findet Asyl beim Vorwärts

Auf den Tag genau - Ein Podcast von Jan Fusek, Fabian Goppelsröder und Robert Sollich

Die Neigung der politischen Linken zu Schismen und Sezessionen war bekanntlich auch schon in den 1920er Jahren voll ausgeprägt. Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD), eben noch aus den Reichstagswahlen 1920 nur gut vier Prozentpunkte hinter den Mehrheitssozialisten als drittstärkste Kraft hervorgegangen, war im Frühjahr 1922 im Begriff, zwischen SPD und KPD zerrieben zu werden und stritt inbrünstig darüber, ob der Ausweg aus diesem Dilemma in einer immer schärferen Abgrenzung zur SPD oder aber, im Gegenteil, in einer Wiederannäherung zu ihr zu finden sei. Gegen die Mehrheit des Parteivorstands vertrat die Parteizeitung Freiheit lange die letztere Linie, weswegen die alte Redaktion Ende März geschasst wurde. Karl Kautsky, ebenfalls Befürworter einer Rückkehr in den Schoß der SPD, konnte seinen Brief zur „Krise der Unabhängigen“ am 28.3. deshalb bereits nicht mehr in der Freiheit veröffentlichen – und fand mit ihm Asyl in der SPD-Parteizeitung Vorwärts. Es liest Frank Riede.