Blutiger Umsturz in Bulgarien

Auf den Tag genau - Ein Podcast von Jan Fusek, Fabian Goppelsröder und Robert Sollich

Die Korrespondentennetze der Berliner Tageszeitungen waren auch schon in den 1920er Jahren eng geknüpft. Nach dreieinhalb Jahren Auf den Tag genau muss man die Regionen Europas, in denen wir noch nicht vorbeigeschaut haben, entsprechend mit der Lupe suchen. Relativ unterbelichtet blieb tatsächlich ein Land im Südosten des Kontinents, das als Kriegsverbündeter der Mittelmächte nach 1918 in noch ärgere politische Turbulenzen geraten war als Deutschland oder Österreich: Bulgarien. Seit 1919 regierte hier als bald schon quasi alleinherrschender Ministerpräsident Aleksandar Stambolijski von der radikalen Bauernpartei, der in Opposition zur alten königlichen Regierung bereits während des Weltkriegs eine militärische Kooperation mit der Entente gefordert hatte. Diese alten Verbindungen halfen ihm nun aber auch nicht wirklich, als es in den Verhandlungen von Neuilly darum ging, die territorialen Verluste Bulgariens in Grenzen zu halten. Entsprechend groß war der Hass seiner innenpolitischen Gegner, die einen Urlaub Stambolijskis in seinem Heimatdorf im Frühsommer 1923 dazu nutzten, ihn von der Macht zu putschen. Die äußerst blutigen Details seiner Ermordung spart die Deutsche Allgemeine Zeitung vom 16. Juni vielleicht auch deshalb aus, weil sie in ihm nach alter Weltkriegslogik noch immer den Anti-Deutschen sah. Es liest Frank Riede.